Lancia Ypsilon Edizione Cassina
Wer beim Namen Lancia an weiche Linien und alte Rallye-Legenden denkt, wird hier überrascht. Der Ypsilon Edizione Cassina ist kein Blick zurück, sondern ein kompakter Stromer mit Anspruch.
4,08 Meter Länge, 51 kWh Batterie und eine Verarbeitungsqualität, die im Kleinwagensegment auffällt. Hinter der ruhigen Erscheinung steckt ein präzises Stück Ingenieursarbeit – elegant, effizient, kontrolliert.
Die Kooperation mit der Mailänder Designmarke Cassina verleiht dem Fahrzeug eine klare Identität. Lancia positioniert sich neu: weg vom unentschlossenen Kleinserienhersteller, hin zum technisch sauberen Stadt- und Pendlerauto mit Stil. Die Edizione Cassina ist die Speerspitze dieses Wandels. Sie steht für eine strategische Wiedergeburt der Marke unter dem Dach von Stellantis.
Die Serie ist auf 1.906 Exemplare limitiert – eine bewusste Reminiszenz an das Gründungsjahr der Marke. Sie symbolisiert den Start in eine elektrische Ära, ohne nostalgischen Ballast. Statt Tradition auszuschlachten, nutzt Lancia seine Herkunft als Grundlage für Präzision, Design und Struktur. Der Ypsilon Edizione Cassina ist der erste sichtbare Beweis dafür.
Form und Struktur
Das Design folgt einer konsequenten Logik. Der Ypsilon wirkt kompakt, solide und spannungsfrei modelliert. Seine Länge von 4.080 mm und der Radstand von 2.540 mm ergeben harmonische Proportionen. Der Aufbau bleibt flach, die Silhouette ist ruhig, die Schulterlinie zieht sich klar durch die Flanken. Der Luftwiderstandsbeiwert liegt bei rund 0,29 – für ein B-Segment-Fahrzeug ein guter Wert.
Die Front trägt den markentypischen Lancia-Schildgrill in moderner Interpretation. Schmale LED-Einheiten, bündig eingefasst, erzeugen eine technische Präzision. Die Heckpartie wirkt straff und geometrisch. Die Rückleuchten zitieren den legendären Stratos, allerdings reduziert auf Lichtsignaturen und klare Formen. Keine überzogenen Rundungen, keine optische Ablenkung – ein sachlich gestaltetes Fahrzeug.
Der Aufbau basiert auf der CMP-Plattform von Stellantis. Diese modulare Architektur ermöglicht sowohl Verbrennungs- als auch Elektrovarianten. Die Materialkombination aus hochfestem Stahl und Leichtbauzonen sorgt für Steifigkeit bei moderatem Gewicht. Der Ypsilon Edizione Cassina wiegt rund 1.520 Kilogramm, ein Wert, der das Gleichgewicht zwischen Stabilität und Effizienz widerspiegelt.
Das Ladevolumen liegt bei 309 Litern, bei umgeklappter Rückbank sind 1.100 Liter nutzbar. Der Kofferraum öffnet weit, die Ladekante ist niedrig. Die Alltagstauglichkeit bleibt trotz Designanspruch erhalten. Jede Fläche folgt einem Zweck – kein überflüssiges Dekor, keine Symbolik.
Antrieb und Leistungsdaten
Im Ypsilon Edizione Cassina arbeitet ein Elektromotor mit 115 kW Leistung, also 156 PS. Das maximale Drehmoment liegt bei 260 Nm und steht ab dem ersten Meter bereit. Die Kraftübertragung erfolgt auf die Vorderräder, die Traktion bleibt sauber kalkulierbar. Die Beschleunigung auf 100 km/h gelingt in 8,2 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit endet elektronisch begrenzt bei 150 km/h.
Die Energie liefert eine 51 kWh große Lithium-Ionen-Batterie. Das System arbeitet mit 400 Volt Spannung, das Kühlkonzept nutzt Flüssigkreisläufe für Thermostabilität. Die Ladeleistung beträgt bis zu 100 kW im DC-Betrieb, was eine Ladung von 20 auf 80 Prozent in rund 25 Minuten ermöglicht. Wechselstromseitig lädt der Ypsilon mit 11 kW dreiphasig an der Wallbox in knapp fünf Stunden vollständig auf.
Im WLTP-Zyklus erreicht das Fahrzeug eine Reichweite von bis zu 403 Kilometern. Realistisch bewegt sich der Wert bei 340 bis 360 Kilometern – abhängig von Klima und Fahrstil. Der Energieverbrauch liegt im Mittel bei 14,8 kWh/100 km, was im Segment zu den besseren Werten zählt. Die Effizienz basiert auf der niedrigen Stirnfläche und der klaren aerodynamischen Führung.
Alternativ bietet Lancia einen Mildhybrid mit 1,2-Liter-Dreizylinder-Benziner und 48-Volt-Technologie an. Das System leistet 100 PS und arbeitet mit einem automatisierten Sechsganggetriebe. Es richtet sich an Pendler mit urbanem Profil. Die Kombination reduziert Verbrauch und Emissionen deutlich und dient als Übergangslösung bis zur vollständigen Elektrifizierung.
Chassis und Fahrverhalten
Das Fahrwerk verwendet McPherson-Federbeine vorn und eine Verbundlenkerachse hinten – ein typisches Setup im B-Segment, hier aber präzise abgestimmt. Der Federweg ist straff, ohne Härte. Die Karosserie bleibt stabil, auch bei höherem Tempo auf unebenem Asphalt. Die Abstimmung vermittelt Kontrolle statt Komfortüberfluss.
Die elektrische Servolenkung arbeitet feinfühlig. Im Stadtverkehr genügt minimaler Lenkeinsatz, auf der Autobahn wirkt die Rückmeldung stabil. Das System filtert Stöße sauber, bleibt aber direkt genug für präzises Einlenken. Der Lenkaufwand ist niedrig, die Rückstellkräfte natürlich.
Die Bremsanlage kombiniert Scheiben an der Vorderachse mit Trommeln hinten, ergänzt durch Rekuperation. Die elektrische Variante nutzt drei Rekuperationsstufen, die über den Fahrmodus-Schalter geregelt werden. Die Balance zwischen Verzögerung und Energierückgewinnung ist spürbar gut abgestimmt. Kein Rucken, kein abruptes Ansprechverhalten – die Dosierbarkeit bleibt linear.
Im Fahrbetrieb wirkt der Ypsilon Edizione Cassina ruhig. Kein Poltern, keine ungedämpften Schwingungen. Die Geräuschdämmung erreicht ein Niveau, das man in dieser Klasse selten findet. Selbst bei 120 km/h bleibt der Geräuschpegel im Innenraum unter 68 dB(A).
Technik und Assistenzsysteme
Die technische Ausstattung folgt einem modernen, softwarebasierten Ansatz. Das digitale Cockpit arbeitet mit zwei 10,25-Zoll-Displays. Eine Einheit dient als Instrumentenanzeige, die zweite als Steuerzentrale für Navigation, Klima und Medien. Android Automotive OS bildet die Basis, Updates laufen Over-the-Air.
Die Sprachsteuerung über Google Assistant reagiert zuverlässig. Befehle zu Routen, Temperatur oder Musik werden direkt umgesetzt. Die Integration von Google Maps ermöglicht Ladeplanung mit Echtzeit-Daten und dynamischen Empfehlungen. Das System analysiert Topografie, Verbrauch und Ladezustand, um Zielzeiten realistisch zu berechnen.
Zur Ausstattung gehören adaptiver Tempomat, Spurhalteassistent, Notbremsassistent, Querverkehrwarner, Müdigkeitserkennung und Parksensoren rundum. Die 360°-Kamera liefert ein präzises Bild, das bei niedriger Geschwindigkeit automatisch aktiviert wird. Die Systeme arbeiten unauffällig und dezent – sie greifen ein, wenn nötig, aber nie aggressiv.
Der Ypsilon erfüllt alle gängigen Euro-NCAP-Anforderungen und wurde für Seiten- und Frontalstabilität strukturell verstärkt. Das Chassis zeigt kontrollierte Verformungszonen, die Energie gezielt ableiten. In puncto passiver Sicherheit erreicht Lancia mit dem neuen Aufbau ein neues internes Benchmark-Niveau.
Innenraum und Materialien
Im Innenraum zeigt sich die Zusammenarbeit mit Cassina am deutlichsten. Velours, strukturiertes Textil und Aluminium-Elemente prägen das Bild. Die Sitze besitzen kräftige Polsterung, klare Konturen und integrierte Kopfstützen. Die Materialanmutung liegt deutlich über Segmentstandard.
Die Mittelkonsole trägt das sogenannte Tavolino – eine stoffbezogene Ablagefläche mit induktiver Ladeeinheit. Darunter USB-C-Ports, daneben Getränkehalter und geschlossene Staufächer. Die Tastenmechanik reagiert mit präzisem Druckpunkt, der Schalthebel ersetzt durch einen Drehregler, der in Aluminium eingefasst ist.
Das Ambientelicht setzt dezente Linien an Türgriffen, Mittelkonsole und Armaturenbrett. Keine Farborgien, sondern gezielte Lichtführung. Die Klimatisierung arbeitet geräuscharm mit Zwei-Zonen-Regelung und Partikelfilterung. Die Luftverteilung erfolgt gleichmäßig über verdeckte Düsen, inspiriert von Cassinas Möbelbelüftungssystemen.
Der Raumkomfort profitiert vom flachen Akkupaket unter dem Fahrzeugboden. Die Sitzposition bleibt natürlich, der Einstieg bequem. Im Fond finden Erwachsene Platz mit ausreichender Beinlänge. Die Fensterflächen bieten gute Übersicht und unterstützen die ruhige Linienführung des Designs.
Komfort und Geräuschkultur
Die Dämmung des Bodens und der Radkästen wurde gezielt optimiert. Akustikglas an Front und Seitenfenstern senkt Außengeräusche deutlich. Das Ergebnis ist ein Innenraum, der bei Tempo 100 den Eindruck einer höheren Fahrzeugklasse vermittelt.
Das Soundsystem stammt von einem italienischen Zulieferer mit speziellem Fokus auf akustische Reinheit. Der Frequenzgang bleibt ausgewogen, der Bass kontrolliert. Bei voller Lautstärke verzerrt nichts, selbst bei offener Verbindung via Bluetooth.
Die Federung schluckt kleine Stöße und gleicht Unebenheiten souverän aus. Die Sitzpolster unterstützen längere Etappen ohne Druckpunkte. Auf grobem Asphalt bleibt das Fahrzeug ruhig. Die Stoßisolierung wirkt mechanisch robust, ohne Schwammigkeit.
Das Ergebnis ist ein Fahrzeug, das Ruhe vermittelt. Kein sportlicher Anspruch, kein aggressives Setup – stattdessen Gelassenheit und Präzision. Ein Auto, das seine Technik versteht und sie nicht demonstrativ ausstellt.
Preis und Marktposition
Der Ypsilon Edizione Cassina startet in Italien bei rund 39.500 Euro für die Elektrovariante. Die Mildhybrid-Version rangiert zwischen 25.000 und 27.000 Euro. In Deutschland dürfte der Preis auf ähnlichem Niveau liegen, abhängig von Ausstattung und Markteinführung.
Im Marktumfeld trifft der Ypsilon auf bekannte Namen: Fiat 600e, Opel Corsa Electric, Peugeot e-208, Renault Clio E-Tech Hybrid und VW ID.2. Während diese Modelle Massenkompatibilität betonen, zielt Lancia auf Charakter. Die klare Linienführung, das wohnliche Interieur und die präzise Technik setzen einen differenzierten Akzent im B-Segment.
Die Zukunftsplanung der Marke sieht eine vollständige Elektrifizierung bis 2028 vor. Der Ypsilon markiert den Anfang. Er zeigt, dass ein Kleinwagen kein Kompromiss zwischen Stil und Technik sein muss, sondern eine saubere Einheit aus beiden Komponenten darstellen kann.