Aston Martin V12 Vantage S
Kraft, Konzentration, Kontrolle – der Aston Martin V12 Vantage S ist ein Auto, das sich nicht anbiedert.
Er ist kompakt, aber kompromisslos, klassisch proportioniert und mechanisch bis ins Detail gedacht. Unter der langen Aluminiumhaube arbeitet ein 5,9-Liter-V12-Saugmotor, intern AM28 genannt. 573 PS bei 6.750 U/min, 620 Nm Drehmoment ab 5.750 U/min – reine Mechanik, ohne künstliche Unterstützung. Der V12 Vantage S wurde 2013 als Nachfolger des V12 Vantage vorgestellt und markierte den letzten reinen Zwölfzylinder dieser Baureihe.
Das Chassis basiert auf der VH-Architektur (Vertical/Horizontal), einer leichten Aluminiumstruktur, die schon in den Modellen DB9 und Vanquish eingesetzt wurde. Mit 1.665 Kilogramm Leergewicht gehört der Wagen nicht zu den leichtesten seiner Klasse, doch die Balance stimmt. 51 Prozent vorne, 49 Prozent hinten – der Schwerpunkt tief, die Sitzposition mittig. Länge 4.385 Millimeter, Breite 1.865 Millimeter, Höhe 1.250 Millimeter, Radstand 2.600 Millimeter. Das Format: muskulös, aber kompakt.
Das Design folgt keinem Trend. Kurze Überhänge, eine weit nach hinten versetzte Kabine, die Motorhaube mit markanten Lüftungsschlitzen und schwarzer Gittereinlage – alles hat Funktion. Der Frontsplitter aus Carbon erzeugt Abtrieb, das Heck arbeitet mit Diffusor und Spoilerkante. Keine Showteile, keine Effekthascherei. Der V12 Vantage S steht auf 19-Zoll-Leichtmetallrädern mit 255/35er-Reifen vorne und 295/30er hinten.
Jede Linie wirkt wie gespanntes Metall. Der Wagen steht tief, breitschultrig, kraftvoll. Aston Martin bezeichnete ihn als das schärfste Serienmodell seiner Zeit – und dieser Satz hält stand.
Motor mit Substanz
Das Triebwerk ist der Inbegriff britischer Handarbeit. Zwölf Zylinder, 48 Ventile, 5.935 Kubikzentimeter Hubraum – komplett von Hand montiert in Gaydon. Der Motor dreht bis 7.000 Touren, reagiert unmittelbar auf Gasbefehle. Kein Turbolader, kein Kompressor, nur Drehzahl und Atemvolumen. Das Ansaug- und Abgassystem wurden überarbeitet, die Titan-Abgasanlage stammt direkt vom One-77 Hypercar. Sie spart 14 Kilogramm und erzeugt einen Klang, der nicht komponiert, sondern erarbeitet ist.
In Zahlen: 0–100 km/h in 3,9 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit 330 km/h. Der Motor hängt frei von Verzögerung am Gas, die Kraftentfaltung linear, unnachgiebig. Jede Drehung spürbar, jede Lastverlagerung fühlbar. Aston Martin ließ bewusst auf Assistenzsysteme verzichten – Traktion und Stabilität lassen sich zwar regeln, aber nicht maskieren.
Die Kraftübertragung übernimmt ein 7-Gang-Automatikgetriebe mit automatisierter Schaltung (Sportshift III). Es stammt aus dem Rennsport, mit Dog-Ring-Kupplung und sequentiellem Aufbau. Kein klassischer Wandler, keine Komfortautomatik. Die Schaltzeiten liegen bei 70 Millisekunden im Sportmodus. Wer will, schaltet manuell über Magnesium-Schaltpaddles – ohne Gnade, aber mit Präzision.
Der V12 Vantage S zeigt, dass mechanische Perfektion noch immer ihren Platz hat. Kein Hybrid, keine elektrische Unterstützung. Nur Aluminium, Öl und Präzision.
Fahrwerk, Bremse, Steuerung
Das adaptive Fahrwerk besitzt drei Stufen – Normal, Sport und Track. Die Dämpfer stammen von Bilstein, gesteuert über Magnetventile. Die Abstimmung reicht von kontrolliert komfortabel bis zu kompromisslos direkt. In Track-Modus reagiert das Fahrwerk messerscharf: jedes Kilo, jede Unebenheit wird spürbar.
Die Lenkung arbeitet hydraulisch, nicht elektrisch. Das bedeutet Rückmeldung, keine Simulation. Jede Straßenfaser überträgt sich durch das Lenkrad, präzise und klar. Das Setup des V12 Vantage S wurde auf der Nürburgring-Nordschleife abgestimmt, wo Aston Martin über eine eigene Testbasis verfügt. Dort entstand auch die finale Abstimmung für Federung und Fahrstabilität.
Bremsen liefert Brembo: Carbon-Keramik-Scheiben mit 398 Millimeter Durchmesser vorne und 360 Millimeter hinten. Das System packt hart zu, lässt sich aber fein dosieren. Die Bremsbalance wurde für den Rennstreckeneinsatz konzipiert – konstant, selbst nach mehreren Vollbremsungen aus über 250 km/h.
Die Traktion ist enorm. In schnellen Kurven hält das Heck diszipliniert, das ESP greift spät, aber effektiv ein. Der Wagen lässt sich quer fahren, aber kontrolliert. Der V12 Vantage S zwingt Respekt ab, nicht durch Angst, sondern durch Konsequenz.
Innenraum mit Fokus
Das Interieur folgt der Tradition der Marke: Leder, Aluminium, Carbon. Handgefertigt, mit sichtbarer Nahtführung und echter Mechanik. Keine Displayschlachten, kein digitales Überangebot. Stattdessen klassische Instrumente, analoge Anzeigen und ein kompaktes Lenkrad ohne überflüssige Bedienelemente.
Die Sitze sind tief montiert, straff gepolstert, mit integrierter Kopfstütze. Das Raumgefühl bleibt eng, aber präzise gestaltet – fast wie ein Maßanzug. Der zentrale Mitteltunnel trägt die Starttaste unter einem polierten Glaselement, flankiert von Getriebewahltasten. Es wirkt fast altmodisch – aber bewusst.
Die Verarbeitung ist makellos. Kein Kunststoff dominiert, alles fühlt sich fest, kalt, echt an. Aluminiumknöpfe, Metallringe, satt rastende Regler. Aston Martin setzt auf Authentizität statt Spielerei. Das Interieur ist nicht leise, es lebt mit dem Auto. Vibrationen, Geräusche, Luftbewegung – kein Filter dazwischen.
Für den Alltag taugt er dennoch: Zwei Koffer, Handgepäck, 300 Liter Volumen. Mehr braucht ein Auto, das 330 km/h läuft, nicht.
Akustik und Emotion
Der Klang ist ein Kapitel für sich. Kein Soundprozessor, kein Lautsprechertrick. Die Titan-Abgasanlage liefert ein Klangbild, das vom Leerlauf bis zum roten Bereich wächst – tief, rau, ehrlich. Bei 3.500 U/min öffnet die Abgasklappe, die Frequenz springt um eine Oktave. Kein künstliches Aufheulen, nur mechanische Wucht.
Im Tunnel baut sich der Ton wie Druckluft auf, außen schneidend, innen körperlich spürbar. Wer jemals auf der Autobahn bei 6.500 Touren den Vollklang erlebt hat, versteht, warum dieser Motor eine Ära abschließt. Der Sound ist kein Beiwerk, er ist Teil der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine.
Im Track-Modus schärft sich das gesamte System. Schaltvorgänge werden aggressiver, das Gas hängt noch direkter. Der V12 schreit nicht, er arbeitet – präzise, trocken, metallisch. Es ist ein Klang, der nicht gefallen will, sondern Leistung beweist.
Herkunft, Philosophie, Bedeutung
Der Aston Martin V12 Vantage S entstand nicht aus einem Trend heraus, sondern aus Überzeugung. Dieses Auto war keine Antwort auf Marktanalysen oder Umfragen, sondern ein Ausdruck reiner Ingenieursleidenschaft. Entwickelt wurde er in Gaydon, gebaut in reiner Handarbeit, die Motoren stammen aus dem Werk Köln-Astheim – jedes Triebwerk trägt das Schild des Mechanikers, der es montiert hat. Diese Philosophie ist selten geworden: kein Fließbandprodukt, sondern ein Stück Ingenieurskultur, das Verantwortung atmet.
Die technische Idee war simpel und radikal zugleich: den größten Motor in das kompakteste Chassis zu setzen, das Aston Martin je gebaut hatte. V12, Frontmittelmotor, Hinterradantrieb – eine Formel, die im Zeitalter elektronischer Helfer fast anachronistisch wirkt. Kein Allrad, keine aktiven Aero-Elemente, kein Batteriepaket, keine Softwarekorrektur. Nur Kraft, Mechanik und Kontrolle. Das Chassis wurde so angepasst, dass der Motor extrem tief sitzt – 55 Millimeter tiefer als beim V8-Vantage – um Balance und Schwerpunkt zu optimieren. Diese Entscheidung prägt das Fahrverhalten bis heute.
Der V12 Vantage S markiert den Abschluss einer Epoche. Als 2013 die Produktion anlief, war der Automarkt bereits von Downsizing und Hybridisierung durchzogen. Aston Martin ging bewusst den anderen Weg. Statt Turboladern: Hubraum. Statt Effizienzparolen: Charakter. Der Wagen blieb bis 2018 im Programm, wurde dann vom neuen Vantage mit AMG-V8 ersetzt. Der S war das letzte vollmechanische Straßenfahrzeug der Marke mit großem Zwölfzylinder – ein Monument klassischer Ingenieurslogik.
Heute ist der V12 Vantage S Sammlerstück und Meilenstein zugleich. Mit seiner Stückzahl von wenigen Tausend Fahrzeugen repräsentiert er das Ende einer Ära, in der Verbrennung noch Handwerk war. Kein digitales Instrumentencluster, keine künstliche Klanginszenierung, keine Filter. Jede Bewegung, jeder Schaltvorgang, jedes Geräusch stammt aus realer Mechanik. Das macht ihn zu einem der letzten Sportfahrzeuge, die noch körperlich kommunizieren – roh, ehrlich und unverfälscht.
Fahrcharakter und Anspruch
Auf der Straße wirkt der V12 Vantage S wie ein Präzisionswerkzeug. Kein elektronisch gezähmter Grand Tourer, sondern ein Sportfahrzeug, das Führung verlangt. Das Kupplungsgefühl ist schwer, der Gasweg kurz und direkt. Schon beim Anfahren spürt man: Hier geschieht nichts automatisch. Der Antrieb reagiert sofort, jede Bewegung am Pedal hat Konsequenz. Bei 120 km/h im dritten Gang zieht der Motor mit unnachgiebiger Kraft – ohne Kickdown, ohne Gedenksekunde. Drehmoment steht immer bereit, linear, unerbittlich.
In schnellen Kurven zeigt sich die Abstimmung: Das Auto bleibt neutral, bis man provoziert. Die Balance ist so fein, dass das Heck nicht einbricht, sondern arbeitet. Das ESP greift spät ein, erst wenn die Physik sich meldet. Die Traktion an der Hinterachse ist brutal, die Reifen arbeiten sichtbar, aber kontrolliert. Der Lenkimpuls überträgt sich direkt in Richtungswechsel, ohne synthetische Dämpfung. Wer zu früh ans Gas geht, bekommt die Quittung sofort – das Auto belehrt, aber bestraft nicht. Es zwingt zur Präzision, nicht zur Angst.
Im Alltag zeigt der V12 Vantage S eine unerwartete Seite: Disziplin. Auf der Autobahn läuft er bei 130 km/h mit 2.200 U/min, ruhig, kontrolliert, ohne Anstrengung. Der Motor bleibt leise, das Fahrwerk trotz seiner Härte berechenbar. Man spürt: Er ist nicht dafür gebaut, zu beeindrucken – er ist dafür gebaut, zu funktionieren. Doch wenn der Fahrer den rechten Fuß senkt, spannt sich das gesamte Fahrzeug. Jeder Stoßdämpfer, jede Buchse, jedes Trägheitsmoment steht sofort unter Spannung.
Diese Präzision erfordert Können. Der V12 Vantage S verzeiht keine Nachlässigkeit, aber er belohnt Präzision mit einem Fahrgefühl, das kaum noch ein modernes Fahrzeug bietet. Keine synthetischen Fahrmodi, keine künstliche Trägheit – alles hängt direkt am Fahrer. Das Gaspedal diktiert, das Getriebe folgt, die Achsen reagieren. Wer dieses Auto bewegt, bewegt sich selbst. Der V12 Vantage S ist kein nostalgisches Spielzeug, sondern ein fahrendes Werkzeug für Menschen, die den Unterschied zwischen Geschwindigkeit und Kontrolle kennen.
Er ist das, was Sportfahrzeuge einmal waren: eine physische Auseinandersetzung zwischen Mensch und Maschine. Und genau das macht ihn heute wertvoller als je zuvor.
Essenz ohne Filter
Der Aston Martin V12 Vantage S ist keine Erinnerung an alte Zeiten – er ist deren Höhepunkt. Ein Auto, das keine Versprechen macht, sondern Resultate liefert. 573 PS, 330 km/h, ein Chassis aus Aluminium und Carbon – und ein Fahrer, der Verantwortung trägt.
Er verlangt Aufmerksamkeit, Disziplin und Können. Wer ihn beherrscht, bekommt kein Erlebnis, sondern Kontrolle. Keine Elektronik, die eingreift, keine Assistenz, die lenkt. Nur Mensch, Maschine, Straße.
In einer Zeit, in der Fahrzeuge leiser, glatter und anonymer werden, bleibt der V12 Vantage S ein Relikt – aber eines, das Stärke beweist. Kein digitales Erlebnis. Ein analoges Statement. Ein Auto, das nicht redet, sondern arbeitet.